Andere Gender, andere Sitten!

Wenige Themen spalten die Gesellschaft so sehr wie das Tempolimit. Oder eben gendergerechte Sprache. Während ein Tempolimit das Freiheitsempfinden mancher Menschen tatsächlich stören würde, weil sie plötzlich etwas nicht mehr dürften oder eben Strafe zahlen müssten, wenn sie Regeln ignorieren, ist Gendersprache kein Zwang und kein Gesetz. Niemand muss Gendersprache benutzen. Aber es wäre schön, wenn sich niemand darüber aufregt, wenn andere das tun. Denn sie hat ja einen Sinn, eine Aufgabe, eine Adresse. Hier erklären wir Dir dazu einiges:

Studien haben gezeigt, dass das generische Maskulinum, also die generelle Verwendung der männlichen Form, die aber auch Frauen „mitmeinen“ soll, etwas in unseren Köpfen und insbesondere in den Köpfen von Kindern macht. Bittet man Kinder zwei Polizisten zu malen, malen sie in der Regel Männer. Bittet man darum, zwei Polizisten oder Polizistinnen zu malen, ist hingegen die Hälfte Frauen. Weil sie ein anderes Bild im Kopf hatten.
Auch gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass Mädchen sich Berufe viel seltener zutrauen, wenn man sie fragt, ob sie zum Beispiel Polizist werden wollen. Fragt man hingegen, ob sie Polizistin werden möchten, steigt das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und damit Möglichkeiten enorm.
Sollten nicht alleine diese Beispiele schon reichen, um auf das generische Maskulinum zu verzichten?

Und noch einen weiteren positiven Nebeneffekt hat es, wenn man gendert oder neutrale Bezeichnungen wählt: Nichtbinäre Menschen, die sich nicht entscheiden wollen oder können, ob sie Mann oder Frau sind, und die das seit 22.12.2018 auch gesetzlich nicht mehr müssen, fühlen sich durchs Gendern berücksichtigt und respektiert. Diese Menschen fühlen sich zum Beispiel mit „Sehr geehrte Damen und Herren“ nicht angesprochen, denn sie sind weder das eine noch das andere.

Gendern muss niemand. Aber schade ist es, wenn man sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt und es schlecht macht, wenn andere es tun. Denn sie machen das, um Frauen und nichtbinären Menschen Sichtbarkeit und Ansprache zu verschaffen. Und das ist etwas Gutes!
Wenn Du es selbst mal probieren willst, hast du zwei Möglichkeiten:

  1. Du benutzt die geschlechtsneutrale Ansprache. Zum Beispiel kann man „alle“ statt „jeder“ sagen, oder „Liebes Publikum“, statt „Liebe Zuschauer“. Bei Berufen geht das manchmal auch gut. Man kann Polizeibedienstete sagen statt Polizisten, Lehrkräfte statt Lehrer.
    Manchmal hört sich das zugegebenermaßen auch etwas schräg an. Zum Beispiel bei Backende, statt Bäcker. Dann gibt es Möglichkeit 2.
  2. Der Genderstar (oder der Genderdoppelpunkt) schafft bereits geschrieben Aufmerksamkeit: Bäcker*innen oder Bäcker:innen. Und es schafft Platz, weil es kürzer ist als Bäcker und Bäckerinnen. Vielen ist die kleine Lücke beim Sprechen fremd. Dabei ist der sogenannte „Glottisschlag“ ein fester Teil der deutschen Sprache. Zum Beispiel sprechen wir „Spiegel-Ei“, und nicht „Spiegellei“. Wir sprechen „Ver-Ein“, und nicht „Verrein“. Wir sprechen „The-Ater“, und nicht „Thejater“. (weitere Beispiele? Alle Verben mit der Vorsilbe ‘be’ oder ‘er’ und einem Vokal danach: erinnern/Erinnerung, bearbeiten/Bearbeitung, erobern/Eroberung, …) Und genau diese bekannte kleine Lücke spricht man auch bei Bäcker*innen, Lehrer*innen (wie erinnern), Polizist*innen (wie bei Ost-Indien).

Wie gesagt, niemand muss so sprechen oder schreiben. Aber muss man es deswegen so schlimm finden, dass man in Streit gerät, weil andere es tun, um wiederum anderen Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit, Ansprache und Mut zu schenken, die das genauso verdient haben wie Männer?
Wenn man selbst nicht Rad fährt, ist es kein Zwang es trotzdem zu tun, nur weil andere gerne das Fahrrad benutzen. Und so ist es mit Gendersprache auch.

Infos zu einigen Studien findest Du hier: https://www.genderleicht.de/wissen/.

Danke dass Du dir die Zeit genommen hast zum Lesen!
Und denk daran: Sprache schafft Bilder im Kopf!