Gotthardstraße in Laim: Mussten die Bäume für den U-Bahnbau wirklich gefällt werden?

An der Gotthardstraße wurden Mitte Januar für die U-Bahn-Verlängerung hunderte Bäume gefällt. Der Anblick der Baumstümpfe tut weh, die Gotthardstraße ist wüst und kaum wiederzuerkennen. Es ist ein Schock, der starke Reaktionen ausgelöst hat. Wir beantworten hier einige Fragen, die uns in diesem Zusammenhang begegnet sind.

Wie viele Bäume wurden gefällt?

Es wurden 384 Bäume mit einem Stammumfang von über 80 cm gefällt. Davon waren 168 frei stehende Bäume, die meisten an der Gotthardstraße. Die anderen 216 Bäume standen in Gehölzen im westlichen Teil der Gotthardstraße (Quelle: Beschlussvorlage).

Warum mussten die Bäume weichen? 

Der U-Bahnhof Laim liegt nicht tief genug. Eine Tunnelbohrmaschine kann erst ab der Willibaldstraße eingesetzt werden. Auf Baureferatsdeutsch liest sich das so:

Die Herstellung des Streckentunnels mit integrierter Abstellanlage sowie des Bahnhofes Willibaldstraße wird in „Deckelbauweise“ erfolgen. Der zentrale Grund dafür ist die geringe Überdeckung der Tunnelstrecke von nur ca. fünf bis sechs Metern bei schwierigen geologischen Verhältnissen. Eine weitere Absenkung ist nicht möglich, da einerseits der Bestand am heutigen Streckenende am Laimer Platz festliegt und andererseits die angrenzende Abstellanlage sowie der dann folgende Bahnsteig am U-Bahnhof Willibaldstraße nahezu horizontal liegen müssen.

Quelle: Beschlussvorlage

Hätten die Bäume gerettet werden können, wenn man auf die Fahrspuren während der Bauarbeiten verzichtet hätte?

Nein. Das wurde 2018 geprüft. Die Häuser müssen auch während der Bauzeit von Rettungsdiensten erreicht werden können. (Quelle: Pressemitteilung und mündliche Ergänzung)

Quelle: Geotechnischer Bericht Streckenvortrieb von 2010

Hätte man die Bäume verpflanzen können?

Das wurde geprüft, leider konnten nur 22 Bäume verpflanzt werden. Einen davon kann man vor der Gotthardstraße 60 bewundern. Es kamen nur gesunde und frei stehende Bäume in Frage. Weiter schreibt das Baureferat:

Entscheidende Parameter sind hierbei die Höhe und Kronenbreite des Baumes in Hinblick auf die Transportfähigkeit sowie ein offener spartenfreier Wurzelraum, der die Herausnahme eines ausreichend großen Wurzelballens ermöglicht. Die Untersuchung ergab, dass leider keiner der freistehenden Bäume mit einem Stammumfang größer 80 cm verpflanzt werden kann. Allerdings müssen auch 77 frei stehende Bäume mit einem kleineren Stammumfang entfernt werden. Davon sind ca. 30 % für eine Verpflanzung geeignet. Die zur Verpflanzung vorgesehenen Bäume werden in der städtische Baumschule zur weiteren Verwendung aufgepflanzt und kultiviert.

Quelle: Beschlussvorlage

Warum wurden auch Bäume in der Von-der-Pfordten-Straße gefällt?

Diese Frage konnten wir nicht ganz klären, möglicherweise liegt es an dem Kanal, und zeitweise wird die Von-der-Pfordten-Straße verschwenkt. Im Antrag auf Planfeststellung von 2017 steht, es werde Platz als Baueinrichtungsfläche gebraucht. Die Alternative wäre die Grünanlage südlich der Gotthardstraße gewesen (wo jetzt der Infocontainer steht), was zur Fällung von 36 Bäumen mit einem Stammumfang von mehr als 80 cm geführt hätte. So waren es fünf Bäume. Wir können diese Begründung deshalb nicht ganz nachvollziehen, weil die lokale Baueinrichtungsfläche ein Stück weiter östlich auf dem Sportgelände ist. (Die Hauptbaueinrichtungsfläche ist auf dem Baumschulgelände, eine dritte kleinere etwa in der Mitte der Strecke.)

Foto: Suny Kim

Hätte man mit dem Fällen nicht warten können?

Nein, da Baumfällungen nur bis Ende Februar zulässig sind. Dann beginnt die Nist- und Brutzeit der Vögel.

Und was ist mit den Eichhörnchen? Haben die nicht gerade Junge?

Ein Hubsteiger mit Wärmekamera hat zwölf Eichhörnchen-Kobel besichtigt und keine Jungen gefunden (Quelle: Artikel SZ und mündl. Auskunft)

Was sagen die Grünen der Stadt München zu dem Thema?

[…] Zum Bedauern der Grünen – Rosa Liste wird es [bei der Verlängerung der U 5] auch zur Fällung von mehreren hundert Bäumen kommen, weil durch die relativ hohe Lage des U-Bahn-Haltes Laimer Platz und der Abstellanlage an der Haltestelle Willibaldstraße nur die Deckelbauweise möglich ist. Dazu ist zunächst der Aushub einer einer sehr breiten Baugrube notwendig, die den Erhalt der Bäume in der Gotthardstraße unmöglich macht – selbst wenn man auf die Ersatzspuren für den Autoverkehr verzichten würde. Dies haben wir bereits 2018 prüfen lassen. Westlich der Willibaldstraße wird die Trasse dann in „bergmännischer“ Bauweise weitergeführt, unterirdisch und entsprechend baumschonender.

Quelle: Pressemitteilung

Was sagen wir Grünen zur Kommunikation?

Die Bilanz ist gemischt. Der Infocontainer kam trotz unserer Anfrage viel zu spät. Natürlich ist in der Pandemie alles schwierig. Aber die Webpage könnte trotzdem weiter sein, oder? Andererseits geben sich die Ansprechpartner vom Baureferat wirklich Mühe und nehmen sich Zeit (s.u.). Und es wird seit 2018 immer wieder informiert, vgl. beispielsweise Wochenanzeiger: Neuer Tunnel für die U5 .

Wo gibt es Informationen aus erster Hand?

Das Infocenter (im Volksmund „Infocontainer“) steht an der Ecke Gotthard-/Von-der-Pfordten-Straße. Update vom Mai (inklusive Fotos): Es ist seit April 2022 jeden Mittwoch von 15 bis 19 Uhr geöffnet. Leider ist es wegen Corona geschlossen. Das Baureferat bietet jeden Mittwoch von 15-19 Uhr nach vorheriger Anmeldung eine virtuelle Bürger:innen-Sprechstunde an, Termine können unter (089) 233-61549 oder ubahn.bau@muenchen.de vereinbart werden. Außerdem verweisen sie auf ihre Internetseite www.ubahnbau-muenchen.de . Das Baureferat hat versprochen, die noch dürftigen Informationen darauf bald auszubauen.

Wie ist die Neubepflanzung geplant?

Mitte 2026 soll der Abschnitt wieder überdeckelt sein, dann wird für (fast?) alle freistehenden Bäume Ersatz gepflanzt und die Gotthardstraße wird wieder eine Allee. Genaueres wissen wir noch nicht. Oder wie es in der Beschlussvorlage so schön heißt: „Im Zuge der Oberflächenwiederherstellung wird ein qualifiziertes Begrünungskonzept entwickelt, das dem Stadtrat […] gesondert vorgelegt wird.“ Die Bauarbeiten werden erst 2030 ganz abgeschlossen sein und ein Stadtratsbeschluss hat fünf Jahre Gültigkeit. Die genaue zeitliche Schiene ist vielleicht noch einmal anders, aber ein zu früher Beschluss wäre jedenfalls nicht sinnvoll.

An der Willibaldstraße / Ecke Senftenauerstraße wurden Bäume markiert und teilweise auch gefällt. Was ist da los?

Das waren alles Eschen. Sie leiden unter dem Eschentriebsterben, einem Pilzbefall, wohl auch beschleunigt durch Klimaveränderungen. Sehen kann man das nicht sofort, aber die Erkrankung schreitet teils in immensem Tempo voran (Quelle: Grüne Pasing)

Und was sind das für Arbeiten am Laimer Platz?

Hier bauen die Stadtwerke München ein hochwertiges Starkstromkabel zur Wiederverwendung aus. (Quelle: mündlich; es gibt auch eine Infotafel)

Seit wann wird die U-Bahn-Verlängerung geplant?

Sie taucht bereits im Stadtentwicklungsplan von 1963 auf als Plan für 1990 (Dokumente der Stadtentwicklungsplanung). Für historisch Interessierte: Im KulturGeschichtsPfad Laim zeigt auf Seite 20 ein Bild den U-Bahnbau am Laimer Platz aus dem Jahr 1988.

Stadtentwicklungsplan von 1963

Quellen

SZ-Artikel vom 19. Januar 2022: Hunderte Bäume für U-Bahn-Bau gefällt

Pressemitteilung vom 29.11.2021:„U5 nach Pasing nimmt Fahrt auf“

Beschlussvorlage für den 30.11.2021: Verlängerung der U-Bahn-Linie 5-West von Laim nach Pasing

Geotechnischer Bericht von 2010: Geotechnischer Bericht Streckenvortrieb

Headerfoto: Christian Hartranft

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