Wie kann die Umwandlung von der autogerechten zur menschengerechten Stadt gelingen? Shared Space könnte dazu einen wichtigen Beitrag leisten.
Die Weißenburger Straße ist für Haidhausen das, was der Broadway für New York ist. Sie durchschneidet das schachbrettartige Straßennetz im Franzosenviertel ähnlich wie der Broadway die Straßen Manhattans. Doch während der Times Square seit 2009 bereits fußgängerfreundlich umgestaltet wurde, warten die Haidhauser*innen bisher vergebens auf ähnliche Maßnahmen zwischen Ostbahnhof und Rosenheimer Platz.
Wir Grünen in Haidhausen haben uns zum Ziel gesetzt, die unverhältnismäßige Straßenaufteilung zwischen Auto- und Fuß- beziehungsweise Radverkehr zu ändern. Die Ergebnisse einer eigens durchgeführten Verkehrszählung bestärkten uns in unserem Eindruck, dass die Straße in erster Linie von Fußgänger*innen genutzt wird. Der Autoverkehr stellt nur ein Viertel aller Verkehrsteilnehmer*innen, beansprucht aber (inkl. Parkplätze) drei Viertel des öffentlichen Raums.
Das Konzept des Shared Space, das andernorts als Gemeinschaftsstraße bekannt ist, scheint für die Weißenburger Straße die beste Lösung zu sein, da es im Vergleich zur Fußgängerzone auch dem Radverkehr die Durchfahrt erlaubt. Ein anderer positiver Effekt ergibt sich daraus, dass die Verkehrsführung nicht geändert werden muss. Dies war bisher immer das Argument der Stadtverwaltung, mit dem sie jegliche Veränderungen zu Gunsten der Fußgänger*innen blockierte.
Leider gibt es in der Straßenverkehrsordnung bisher keine Möglichkeit den Gedanken des Shared Space konsequent auf Deutschlands Straßen umzusetzen. Bisher musste man sich mit dem Verkehrsberuhigten Bereich (Spielstraße) oder dem Verkehrsberuhigten Geschäftsbereich behelfen. Beide Lösungen erscheinen für die Weißenburger Straße nur bedingt hilfreich, da die Aufteilung der Straße zwischen den Nutzern nicht verändert wird.
Bei Shared Space hingegen ist es wichtig, dass sich alle Verkehrsteilnehmer*innen auf dem gleichen Niveau bewegen. Das Konzept basiert auf gegenseitiger Rücksichtnahme und dem Rechts-vor-Links-Gebot. Weitere Regeln sind nicht nötig, daher kann auf zusätzliche Beschilderungen und Ampelanlagen verzichtet werden. Unsere österreichischen Nachbarn sind hier schon ein gutes Stück weiter: in Wien, Linz und Salzburg erfreuen sich die Menschen an der Begegnungszone mit Tempo 20 und Vorrang für Fußgänger*innen und Radler*innen.
Für Haidhausen böte sich mit dem neuen Verkehrskonzept die einzigartige Möglichkeit mehr Raum für die Menschen zu schaffen. Anwohner*innen und Passant*innen würden von weniger Lärm und einer Reduzierung schädlicher Abgase profitieren. Einzelhändler*innen und Lieferant*innen hätten durch den Wegfall der Parkplätze deutlich mehr Platz zum Be- und Entladen. Auch Restaurants und Cafés hätten wesentlich mehr Platz zur Bestuhlung ihrer Außenbereiche. Vorstellbar wäre auch eine Begrünung durch zusätzliche Pflanzen und Bäume.
Langfristig müsste natürlich auch der Ostbahnhof mit in das Konzept eingebunden werden. Dann würde zwischen den S-Bahn-Stationen ein Boulevard entstehen, der in München seinesgleichen sucht. Mit dem „Haidhauser Broadway“, dem einladenden Weißenburger Platz und einem neu gestalteten Pariser Platz wäre unser Stadtviertel noch ein gutes Stück lebenswerter.
von Jörg Spengler (Sprecher OV Au/Haidhausen)