Die Phänomene, die unter dem Begriff „Digitalisierung“ zusammengefasst werden, bringen Chancen und Risiken mit sich – und auffällig ist, dass viele der weitsichtigsten kritischen Stimmen die von Frauen sind. Was ändert sich, wenn man durch eine feministische Brille auf die Digitalisierung blickt? Darüber wollen wir mit euch und Prof. Dr. Lisa Herzog, Professorin für Politische Philosophie und Theorie an der Technischen Universität München, diskutieren.
Ein wichtiger Ansatz ist der der strukturellen Gerechtigkeit nach Iris Marion Young. Dieser Ansatz versucht digitale Phänomene im Kontext sozialer Realitäten zu fassen, anstatt von abstrakten Individuen in idealisierten (Markt-)Situationen auszugehen. Hier zeigt sich zum Beispiel, dass algorithmische Entscheidungssysteme oft „Matthäus-Effekte“ erzeugen, also bestehende Privilegien und Benachteiligungen fortschreiben oder sogar verstärken. Dies betrifft Entscheidungsfelder, die von Bankkrediten über wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen bis hin zum Gesundheitssystem reichen. Um die digitale Transformation so zu gestalten, dass sie der Bevölkerung insgesamt und insbesondere auch den schwächsten Gesellschaftsmitgliedern zugute kommt, müssen algorithmische Systeme in ihren sozialen Kontexten verstanden und entsprechend reguliert werden. Insbesondere die Europäische Union steht hier vor wichtigen Gestaltungsaufgaben.
Lisa Herzog ist Professorin für Politische Philosophie und Theorie an der School of Governance der Technischen Universität München. Sie arbeitet an der Schnittstelle von politischer Philosophie und ökonomischer und sozialer Theorie, mit Schwerpunkten u.a. auf normativen Fragen zu Märkten, Gerechtigkeitstheorien, Wirtschaftsethik, und Ethik und Demokratie in Organisationen. Ihr jüngstes deutschsprachiges Buch ist Die Rettung der Arbeit. Ein politischer Aufruf (Hanser Berlin 2019).